Hub Bern

Interview mit Dr. Olivier Jacquat, Leiter des Hubs Bern

Dr. Olivier Jacquat leitet den ersten Wyss Academy Hub im globalen Norden. Er und sein Team leiten fünf­zehn Projekte im Kanton Bern mit operativen Projekt­leiter:innen im ganzen Kanton.

Portrait Jacquat

Dr. Olivier Jacquat

Leiter des Hubs Bern, seit August 2020 bei der Wyss Academy

Der Hub Bern verfügt bereits über ein Portfolio von fünfzehn Projekten. Wie sind diese Projekte miteinander verknüpft?

Die Identifizierung der fünfzehn Projekte erfolgte nach einem Top-Down-Ansatz, der vom Kanton Bern und Expert:innen der Universität Bern ausging. Anfänglich stand die Verbindung zwischen den Projekten nicht im Vordergrund. Für die weitere Entwicklung des Portfolios plädieren wir für einen starken partizipativen Ansatz bei der Gestaltung neuer Projekte und für einen vernetzten Ansatz in diesen fünfzehn laufenden Projekten.

Um einen städtischen Raum zu schaffen, der mehr Energie erzeugt als er verbraucht, müssen Lösungen für die drei Haupttreiber des ökologischen Fussabdrucks der Schweizer Bürgerinnen und Bürger gefunden werden: Wohnen, Mobilität und Ernährung. Im Bereich des Wohnens sollte die Stadtentwicklung unter Berücksichtigung der Umweltaspekte (soziale und wirtschaftliche Aspekte sollten ebenfalls berücksichtigt werden) verdichtetes Bauen fördern. Das heisst, es muss in die Höhe gebaut werden, und zwar mit umweltfreundlichen Materialien. Bei Hochhäusern ist aus statischen Gründen nach wie vor ein Betonkern erforderlich, doch der Beton sollte dann zu 100 % aus Sekundärrohstoffen (Recyclingmaterial) produziert sein. (ein Ziel eines unserer Projekte: Ersatzrohstoffe in der Kreislaufwirtschaft). Und der Hauptbaustoff muss aus einer erneuerbaren Ressource stammen, beispielsweise Holz aus der Region (ein weiteres Ziel eines unserer Projekte: Regionale Wertschöpfung Wald und Holz).

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Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen der Wyss Academy und dem Kanton Bern aus?

Ein sehr positiver und innovativer Aspekt dieser öffentlich-privaten Partnerschaft ist der Zeitrahmen, der auf 10 Jahre angelegt ist. Dies im Gegensatz zu den in der Schweiz oder anderswo im globalen Norden üblichen 4- bis 5-jährigen Legislaturperioden. Wir schätzen dieses langfristige Denken sehr, das bereits eine erste echte Innovation darstellt. Der zweite positive Aspekt ist das Vertrauen der beiden Partner in diese einzigartige öffentlich-private Partnerschaft. Auf der einen Seite steht die Wyss Academy, ein agiles Start-up-Unternehmen, das sich täglich weiterentwickelt und wächst, und auf der anderen Seite steht eine solide kantonale Verwaltung mit einer Geschichte, die bis ins Jahr 1353 zurückreicht. Der Aufbau von Vertrauen und Gleichgewicht braucht Zeit und doch laufen diese fünfzehn Projekte bereits – und sie müssen weitergehen. Gemeinsam mit unseren Partnern aus dem Kanton steuert der Hub Bern die Projekte, setzt sich konstruktiv mit den Regulierungs- und Gesetzgebungsprozessen auseinander und bringt sich parallel dazu aktiv in die Aufbauphase der Wyss Academy ein. Es ist eine Herausforderung, aber wir sind voll engagiert.

Welche Synergien ergeben sich aus Ihren CO2-neutralen Projekten für Städte im Kanton Bern und für die Jungfrau Region?

Konzeptionell handelt es sich um zwei visionäre Projekte mit Titeln, die das Ziel klar benennen: «Von Plus-Energie-Quartieren zur Plus-Energie-Stadt» und «CO2-neutrale Tourismusregion Oberland-Ost, Jungfrau, Interlaken». Wenn wir bis 2029 zeigen können, dass es einen Weg zur CO2-Neutralität auf dem Land und in der Stadt gibt, indem wir beide Ansätze kombinieren, haben wir Wege, die auch national funktionieren. Von da aus können wir sie auf den globalen Norden und die internationale politische Ebene, auf die Vereinten Nationen, die Verhandlungen über das Pariser Abkommen und viele weitere Bereiche ausweiten. Es ist wie ein Puzzle. Mit dem verfügbaren Startkapital wollen wir neue Wege aufzeigen und konkrete Lösungen testen. Eine vollständige Transformation in Richtung CO2-Neutralität wird jedoch nur durch weitere Investitionen und starke Partnerschaften innerhalb der Wirtschaft, der Gesellschaft und staatlicher Organisationen erreicht werden können. Wie bei einem Puzzle arbeiten wir daran, die verschiedenen Teile zusammenzufügen.

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Die Schweiz liegt ziemlich genau in der Mitte Europas. Wie können die in diesem kleinen Land gewonnenen Erkenntnisse zu Katalysatoren für globale Projekte werden?

Die Schweiz ist ein Land, das keine nennenswerten Rohstoffvorkommen hat. Im Grunde genommen importieren wir fast alles. Was uns dabei kaum bewusst ist: ein Grossteil der grauen Emissionen hängt mit diesen Importen zusammen. Jede Schweizerin und jeder Schweizer verursacht einen Klima-Fussabdruck von rund 14 Tonnen CO2 pro Jahr, wovon nur 40 % im Inland erzeugt werden. Das heisst, die mit dem Schweizer Verbrauch verbundenen Treibhausgasemissionen fallen hauptsächlich im Ausland an. Wir tragen also weltweit eine grosse Verantwortung und sind als Industrieland gefordert, nachhaltige Wege mit einer globalen Perspektive aufzuzeigen. Wir von der Wyss Academy wollen daher als Katalysatoren den Anstoss für ganzheitliche und gemeinsam entwickelte Lösungen geben, die in der Praxis auf regionaler Ebene validiert und auf diplomatischer internationaler Ebene für den Wissensaustausch und die Skalierung eingebracht werden. Eine einzelne Institution kann unseren Planeten nicht retten. Für die globalen Herausforderungen, mit denen die Natur und die Menschheit konfrontiert sind, braucht es vielfältige kontextspezifische Lösungen. Hier sehen wir unseren Beitrag.

Die von Ihnen angesprochenen Themen betreffen den globalen Norden ebenso wie den Süden. Können Sie das näher erläutern?

Obwohl wir einen starken geografischen Fokus innerhalb des Kantons Bern haben, haben wir durch Finanzierung und/oder Partnerschaften bereits mehrere Projekte auf eine nationale Ebene gebracht. Wir denken auch an unsere Nachbarländer, um Multiplikations- und Skaleneffekte zu erzielen. Wir stellen uns Joint-Venture-Projekte in ganz Europa vor. Auch wenn die Rahmenbedingungen anders sind als im globalen Süden, stehen die Industrieländer des Nordens oft vor den gleichen Herausforderungen. Ein schönes Beispiel ist die Biodiversitätskonvention. Die Aichi-Ziele wollen 30 Prozent des Planeten schützen. Wandernde Tierarten benötigen funktionierende Ökosysteme auf beiden Hemisphären, während sesshafte Arten ein Netzwerk verbundener Ökosysteme auf nationaler Ebene brauchen. In der Schweiz müssen wir daher eng mit anderen Ländern zusammenarbeiten und Synergien mit deren Naturschutzmassnahmen schaffen (z. B. in der Art wie der Wyss Academy Hub in Bern mit den Hubs in Kenia, Laos oder Peru zusammenarbeitet). Gleichzeitig müssen wir ein nationales Netzwerk von miteinander verbundenen Schutzgebieten aufbauen. Das Projekt «Fachplanung ökologische Infrastruktur Kanton Bern» entwickelt dafür die Methodik und die kartografischen Werkzeuge. Da es sich um ein internationales Thema handelt, wollen wir diese Arbeit mit allen Hubs der Wyss Academy und natürlich auch mit allen externen Parteien in Verbindung bringen und teilen.

Challenge 1

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